Montag, März 20, 2006

Ärzte finden Medizinstudium noch immer zu praxisfern

Ärzte finden Medizinstudium noch immer zu praxisfern
fzm - Deutsche Mediziner blicken mit gemischten Gefühlen auf ihre eigene Ausbildung an der Universität zurück. Dort werden ihrer Ansicht nach noch immer zu viele praxisferne Grundlagenfächer gelehrt, während die Vermittlung beruflich wichtiger Fähigkeiten zu kurz kommt. Eine jetzt in der DMW Deutschen Medizinischen Wochenschrift (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2006) veröffentlichte Studie zeigt: Viele Ärzte sehen sich auf die spätere Kommunikation mit den Patienten nur unzureichend vorbereitet.

Der Lehrplan der Medizinstudenten ist voll gepackt. Elf vorklinische und 28 klinische Fächer müssen die angehenden Mediziner in fünf Jahren (plus einem Praktischem Jahr) absolvieren. Nicht alle Fächer bereiten sie gleich gut auf die spätere Tätigkeit vor, meinten etwa 1000 Ärzte, die der Medizindidaktiker Dr. Matthias Hofer von der Universität Düsseldorf anlässlich ihrer Facharztprüfung befragt hat. Zu diesem Zeitpunkt haben die Ärzte bereits mehrere Jahre an einer Klinik gearbeitet. Für viele Ärzte sind die ersten Jahre die schwierigsten, weil sie sich praktisches Wissen aneignen müssen, das auf der Universität nicht gelehrt wurde.

Am wenigsten hätten ihnen die Kurse in Chemie und Physik genutzt, gaben die Mediziner an. Auch die Lehrveranstaltungen in Terminologie (ein Relikt des früheren Lateinunterrichts), in Biomathematik und Statistik fanden die Mediziner aus heutiger Sicht nicht sinnvoll. Andere Fächer wie Nuklearmedizin oder Strahlentherapie betrachten viele Ärzte als zu speziell für das Medizinstudium. Geschätzt wurden dagegen praxisrelevante Fächer wie Anatomie und Physiologie, in denen der Aufbau und die Funktion des Körpers gelehrt werden. Auch Untersuchungskurse und die Fächer Innere Medizin, Chirurgie und Pharmakologie seien für ihre spätere Tätigkeit wichtig gewesen, meinten die Fachärzte. Einigkeit herrschte auch darin, dass kommunikative und psychosoziale Fähigkeiten zu wenig vermittelt werden, schreibt Dr. Hofer, der den Fachärzten aber nicht in allen Punkten zustimmt. Biomathematik und Statistik seien durchaus wichtige Fächer. Sie seien nicht für die Dissertation notwendig, sondern könnten den Ärzten später auch helfen, Werbeaussagen der Pharmaindustrie auf ihren tatsächlichen Aussagewert hin überprüfen. Möglicherweise kommt dieser Aspekt in der Ausgestaltung der Kurse zu kurz.

M. Hofer et al.:
Verbesserungspotenzial des Medizinstudiums aus retrospektiver Sicht von Facharztprüflingen
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2006; 131 (8): 373-378