Freitag, Dezember 02, 2005

Neues EuGH-Urteil - Bereitschaftsdienst muss als Arbeitszeit gewertet werden

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute in einem Urteil (Rechtssache C-14/04) erneut festgestellt, dass die Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit zu werten sind. Der Ärzteverband Marburger Bund (mb) spricht von einem „goldenen Urteil“ in einer wichtigen Zeit politischer Entscheidungen in Deutschland. „Bundeskanzlerin Angela Merkel muss sofort ihren Beschluss, die ärztlichen Bereitschaftsdienste weiterhin nicht als Arbeitszeit zu werten, zurücknehmen“, forderte der 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Frank Ulrich Montgomery.

Bereits seit 12 Jahren schreibt die europäische Arbeitszeitrichtlinie vor, Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit zu werten. Trotz mehrfacher Urteile des EuGH ignoriert Deutschland diese europäische Vorgabe zu Lasten der Klinikärzte, die nach wie vor bis zu 80 Stunden in der Woche arbeiten müssten. Vor wenigen Tagen hat das Bundeskabinett beschlossen, die Übergangsfrist zur Umsetzung des Europarechts um ein weiteres Jahr auf Anfang 2007 zu verlängern. Montgomery: „Das zementiert die 30-Stunden-Dienste der Klinikärzte und die außerordentliche Gefahr für die Patienten, von einem übermüdeten Arzt behandelt zu werden.“

Angesichts des heutigen EuGH-Urteils forderte Montgomery Bundeskanzlerin Merkel erneut auf, europäisches Arbeitszeitrecht zum Schutz der Ärzte und Patienten sofort auch in Deutschland umzusetzen. „Wenn der Bundestag tatsächlich den Kabinettsbeschluss nachkommt und die ärztlichen Bereitschaftsdienste weiterhin nicht als Arbeitszeit anerkennt, tragen die Politiker höchstpersönlich die Verantwortung für überlastete Mediziner und zunehmende Behandlungsfehler.

Bestärkt durch das neue EuGH-Urteil werde der Marburger Bund vorsorglich eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission einreichen. Damit soll ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Nichtumsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie eingeleitet werden